Trau dich!
- Asa Buchmann
- 8. Nov.
- 3 Min. Lesezeit

Wenn die Tage kürzer werden
und die Dunkelheit leise über das Land zieht, verlangsamt sich das Leben in der Natur.
Das Licht wird weicher, die Luft stiller, die Erde zieht ihre Kräfte nach innen –zurück in die Wurzeln, wo sie wie ein kostbarer Schatz in der Dunkelheit gehütet werden.
Und während draußen alles zur Ruhe kommt, geschieht bei uns Menschen etwas Merkwürdiges.
Es gibt mehr Licht.
Mehr Termine.
Mehr Arbeit.
Wann genau hat es begonnen, dass in der dunklen Jahreshälfte nicht mehr die Stille, sondern die Aktivität überhandgenommen hat?
Vielleicht war es, als das elektrische Licht die Nacht zum Tag machte? Als wir lernten, die Dunkelheit zu vertreiben, statt ihr zu lauschen?
Früher war der Winter die Zeit des Rückzugs
Des Webens.
Des Träumens.
Des Nachspürens.
Doch Rückzug bedeutete nicht Untätigkeit.
Reparieren, was gebraucht wurde.
Schaffen, was zum Leben nötig war.
Erhalten, was den Winter trug.
Arbeiten, die der Erde nah blieben, langsam, bedacht, im Rhythmus der Jahreszeit. Tätigkeiten, die aus der Ruhe kamen.
Oft geschahen sie gemeinsam. Wir saßen im Kreis, erzählten Geschichten, sangen Lieder, die den langen Nächten Licht gaben.
Diese Stunden verbanden – bestimmt war es nicht immer einfach, doch wir waren eingebunden in einen Kreis, dem wir angehörten.
Angst vor der Dunkelheit
Mit der Zeit fingen wir an, die Dunkelheit zu fürchten. Nicht nur die Nacht, sondern alles, was sie in uns spiegelt – das Ungewisse, das Sterbliche, das Unbequeme.
Wir ließen das Licht an, verlängerten die Tage und taten so, als gäbe es kein Ende, keine Stille, keinen Tod.
Doch mit dem Licht, das niemals erlischt, verschwand auch der Zugang zur Tiefe. Denn wer die Dunkelheit im Außen vertreibt, verliert den Mut, ihr im Inneren zu begegnen.
Zeit des Rückzugs
Wie die Natur brauchst auch du Winter.
Zeit zum Ruhen.
Zeit, um leer zu werden.
Es ist, als würdest du immerzu nur einatmen – und nie ausatmen. Du hältst fest, wo eigentlich Loslassen an der Reihe wäre.
Doch dein Körper weiß es besser.
Deine Seele spürt es auch.
Sie sehnt sich nach Rückzug, nach Stille, nach Leere – nach einem Ort, an dem nichts getan werden muss.
In der Natur erkennst du die Zyklen, die immer wiederkehren. Alles folgt einem Rhythmus, der älter ist als wir.
Wenn du wieder beginnst, diesem Rhythmus zu lauschen, spürst du, wie dein Verstand loslassen kann. Dein Atem wird ruhiger, dein Herz weicher, dein Körper erinnert sich an das Maß der Erde. Deine Seele findet Frieden im natürlichen Wechsel von Licht und Schatten.
So wie die Erde ihre Samen im Dunkeln hält um sie zur Keimung zu bringen, so reift auch in dir etwas heran, das Zeit und Stille braucht, um neu geboren zu werden.
Ruhe ist kein Stillstand
Sie ist der Boden, auf dem Neues wachsen kann.
Es gibt keine Entspannung ohne Loslassen.
Keinen Frühling ohne Winter.
Vielleicht beginnt es mit einem Atemzug. Mit dem Mut, still zu werden. Mit dem Vertrauen, dass du getragen bist – auch wenn du nichts tust.
Mit jedem bewussten Atem, jedem stillen Schritt, kommst du dir näher.
Ich lade dich ein, in diesem Jahr die Dunkelheit einmal ganz anders wahrzunehmen.
Das bedeutet nicht, dass du deine Arbeit liegen lassen oder keine Feste feiern sollst. Es heißt nur, der Stille und der Dunkelheit wieder einen Platz zu geben.
Vielleicht möchtest du dir zu Hause eine kleine Ecke einrichten, wo nur ein einziges Kerzerl brennt. Ein Ort, an dem du immer wieder ein wenig im Dunkeln sein kannst.
Ein paar Atemzüge.
Sanft und weich.
Ganz hier.
Trau dich.
Mach den ersten Schritt in die Stille, in die Dunkelheit.
Gib dir die Möglichkeit, einmal angenehm leer zu sein.
Nur du.
Nichts müssen.
Nur sein.






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